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Nr. 7
Die Vollendung von «Tristan und Isolde»

Richard Wagner

Es ist der 6. August 1859. Sie sind seit Ende März Gast im Hotel Schweizerhof Luzern, um hier Ihre Oper „Tristan und Isolde“ zu vollenden. Nachdem Sie die ersten zwei Monate eine Suite der Bel Etage in der südlichen Dependance belegt haben, bewohnen Sie seit ein paar Wochen das Zimmer Nummer 7 im ersten Obergeschoss des Hauptgebäudes. Es ist um einiges kleiner, aber Sie haben es sich mit Hilfe des Zimmermädchens so gut es geht eingerichtet.

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Um störende Geräusche abzuhalten, hat der Hoteldiener die Tür zum Nachbarzimmer mit Matratzen verbarrikadiert. Kindern ist der Aufenthalt auf dieser Etage untersagt. Ihrem kreativen Schaffen sollte so nichts mehr im Wege stehen. Die ersten Wochen nach Ankunft in Luzern sind musikalisch gesehen wenig ergiebig gewesen: Das kühle Wetter hatte Sie erkranken lassen, woraufhin Ihnen Hoteldirektor Eduard Segesser eine ganz besondere Therapie vorschlug: Reitstunden auf der 25-jährigen Stute «Lise».

Ihrer Frau, der Schauspielerin Minna Planer, schreiben Sie:

«Nur habe ich es (das Pferd) nicht zum Reiten, es hat mich zum Fliegenscheuchen. […] Jetzt werde ich nächstens statt der Reitgerte mit der Fliegenklatsche aufsteigen müssen.»

Aber Sie geniessen die Ausritte auf die Rigi, Richtung Pilatus und nach Seelisberg. Hin und wieder treffen Sie sich mit dem Kutscher Alois Z’Graggen im «Dubeli» und lauschen seinen Berichten über die Gotthardfahrten. Oder Sie besuchen den Landschaftsmaler Jakob Josef Zelger, der sein Atelier im Garten des Hotels Schweizerhof Luzern hat, und zu dessen Kunden so berühmte Gäste wie die Königin Viktoria von England gehören.


Sie brauchen Gesellschaft und üben eine faszinierende Ausstrahlung auf andere aus, die Ihren Monologen über Ihre Vision eines Gesamtkunstwerkes von Dichtung, Musik und Regie gebannt zuhören. Die gleiche hypnotische Gewalt übt auch Ihre Musik auf Ihre Umwelt aus.

Ihr guter Freund Franz Liszt schickt Ihnen zum Austausch musikalischer Ideen einen jungen 24-jährigen Komponisten namens Felix Draeseke, mit dem Sie bei ausgedehnten Spaziergängen und Ausritten an so manchen Nachmittagen diskutieren.

Auch heute ist ein Ausritt geplant, weswegen Sie ihm am Morgen noch folgende Notiz zukommen lassen: «Liebster! Ich bin Ihnen bei diesem herrlichen Wetter Revanche schuldig und lade Sie hiermit zu einem Ritt auf den Pilatus ein. Kommen Sie bald zu mir.»

Jetzt sitzen Sie allerdings bereits seit gut sechs Stunden an Ihrem Flügel und komponieren konzentrierter denn je zuvor. Es klopft an der Tür und kurz darauf steht Felix Draeseke in Reitermontur im Zimmer. «Warten Sie noch einen Augenblick», empfangen Sie ihn, «eben wird der Tristan fertig.» Draeseke ruft: «Da muss ich dabei sein», und schaut zu, wie Sie die letzten Takte schreiben und das Anfangsmotiv in den verklärenden Schlussakkord ausklingen lassen.

Es ist 16.30 Uhr. Sie haben soeben ein Meisterwerk der romantischen Musik vollendet, das viele Zeitgenossen und Komponisten erheblich beeinflussen wird.

Ihre Neuerungen in der Harmonik werden wegweisend für die moderne Musik sein. Doch leider gilt «Tristan und Isolde» wegen seiner musikalischen Komplexität zunächst als unaufführbar.

Mit Hilfe Ihres grossen Mäzens König Ludwig II., ebenfalls Schweizerhof-Gast, kann es dann aber endlich am 10. Juni 1865 im Königlichen Hof- und Nationaltheater in München unter der Leitung von Hans von Bülow uraufgeführt werden. Der Erfolg ist triumphal!

Wenige Tage danach erhalten Sie die Nachricht, dass der überragende Tristan, Ihr junger Sängerfreund Ludwig Schnorr von Carolsfeld, plötzlich verstorben ist –im Alter von nur 29 Jahren.

Die Rolle des Tristan gilt seitdem unter Sängern als «mörderisch».
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